Nach einem Sturz musste mir eine künstliche Hüfte eingesetzt werden. Da diese lange nicht heilen wollte, riet mir der Arzt zu einer Kur in Piestany. Daraus ergab sich für Adalberto und mich ein sehr angenehmer sowie abwechslungsreicher Aufenthalt im Herbst 2002. Es gefiel uns so gut, dass wir in den beiden kommenden Jahren wieder für je drei Wochen ins gleiche, traditionsreiche Hotel Thermia Palace zurückkehrten.
Piestany befindet sich im Südwesten der Slowakei und gilt als das bedeutendste Heilbad des Landes. Zwei Flussarme der Váh (auch Waa geschrieben), umfassen eine lange, schmale Insel. Aus einer Tiefe von 2000 Metern sprudeln hier täglich über drei Millionen Liter Mineralwasser aus dem Boden. Das Wasser hat eine Temperatur von 67-69º und enthält, neben 1500 mg mineralischer Anteile pro Liter, vor allem Schwefelwasserstoff. Verdünnt und abgekühlt dient es den Thermalbädern.
Der Heilschlamm ist ein Sediment der Váh, das sich in Jahrtausenden bei der Flussinsel angesammelt und mit den heilenden Mineralien angereichert hat. Die Eigenschaften des Thermalwassers und des Schwefelschlamms haben das Heilbad Piestany vor allem für die Behandlungen von Rheuma und Erkrankungen des Bewegungsapparates prädestiniert.
Diese Informationen entnehme ich den Prospekten des Touristenbüros. Darin wird aber nichts über den delikaten Duft des Wunder wirkenden Wassers erwähnt. Meine eigenen, „tief“ greifenden Forschungen haben den Beweis erbracht, dass dieses Heilwasser direkt an der Hölle vorbei geflossen ist und sich dabei erwärmt hat. Es hat nämlich deutlich erkennbare Duftspuren, die auf die Gattin des dortigen Verwalters hinweisen. Madame le Diable benützt stets das bekannte Parfüm „sulfure no. 5“. Dazu mischt sich auch eine Spur ihres eigenen Körpergeruchs. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann, der so fleissig die einst bösen Menschen plagt, ist sie selber nur ein „faules Ei“.
Auf der Kurinsel im Fluss hat es keine Wohnhäuser. Dagegen finden sich hier die wichtigsten Hotels und balnearen Einrichtungen. Das Städtchen Piestany hat 35000 Einwohner und erstreckt sich an dem der Insel gegenüberliegenden Ufer der Váh. Hier hat es noch mehrere weitere, meist kleinere Hotels.
Die Entwicklung des Kurorts Piestany begann 1720, als die Ansiedlung Eigentum der Adelsfamilie Erdödy wurde. Die ersten, primitiven Kurgebäude wurden auf der Insel aus Holz gebaut. 1820 errichtete man das bis heute benutzte Napoleon-Bad. Im Jahre 1912 kam das Hotel Thermia Palace dazu. Dieses Hotel ist durch einen geheizten Korridor mit dem gleichzeitig eröffneten Irma-Bad verbunden. Zusammen mit dem nur wenige Schritte entfernten, 2001 perfekt renovierten Napoleon-Bad, mit seinem eleganten Empire-Stil, bilden die beiden Jugendstil-Paläste ein architektonisch faszinierendes Dreigestirn.
Das Hotel Thermia Palace
Das im Mai 1912 eröffnete Luxushotel Thermia Palace war schon binnen einer Woche von wohlsituierten Ausländern ausgebucht. Der erste bedeutende Gast war der bulgarische Zar Ferdinand I, dem andere gekrönte Häupter folgten, wie der deutsche Kaiser Wilhelm I. Zu berühmten Gästen zählten die Sänger Fjodor Schaljapin und Richard Tauber, die Schriftstellerin Selma Lagerlöff, die amerikanische Schauspielerin Lilian Gish, oder dann der Nizam von Hyderabad, sowie Sir Ibrahim Sultan von Johore. Besonders geschätzt wurden die Kuraufenthalte der Kaiserin Sissy. Daran erinnert ein ihr gewidmetes Denkmal.
Noch heute wird das Hotel fast nur von Ausländern benützt, die hauptsächlich aus Deutschland kommen. Bei den Tischgespräen lernte ich aber auch Damen aus Kanada kennen, sowie eine Familie aus dem Lebanon. Unter den übrigen Gästen sind besonders zwei schwarze Damen aufgefallen, Mutter und Tochter, in ungewohnter Kleidung.
Thermia Palace und das Bad Irma sind charakteristische Architekturbeispiele im Stil der Wiener Sezession. Sie unterscheiden sich aber voneinander durch ihre äussere Form und die verwendeten Dekorationen. Diese sind auch heute noch zu bewundern, wenn auch vieles vergammelt ist. Doch das hat mich wesentlich weniger gestört, als die plumpen Renovationen nach der Enteignung durch den kommunistischen Staat.
Das krönende Juwel der ganzen Anlage ist der grössere der beiden Speisesäle. Er wurde erst nach der Wende restauriert und dies geschah in perfekten Weise. Die Decke des zwei Stockwerk hohen Raumes wird durch vier Säulen aus rosa Marmor getragen, unterstützt von acht Halbrelief-Säulen aus dem gleichen Material an den Seitenwänden des Speisesaals. Die Säulen haben quadratischen Querschnitt. Man soll aber nicht merken, dass es gar nicht Säulen aus massivem Marmor sind. Deshalb wurden die Ecken, wo vier relativ dünne Marmorplatten aneinander stossen, vom Boden bis weit hinauf mit einem Ornament von versilberten Blättern verkleidet.
Auf den Kapitellen stehen insgesamt 32 silberne Adler. Sie haben goldene Füsse und ebensolche Schnäbel. Sie stützen die weissen Balken der Decke mit geneigten Köpfen und ausgebreiteten Schwingen. Auf der Decke setzen sich die silbernen Dekorationen in anderen Formen fort und dazwischen hängen Kristall-Leuchter.
An einer Wand springt auf halber Höhe eine Musikempore in den Raum vor. Unter dieser Empore umarmen sich drei offensichtlich lesbische Grazien aus Gips. Abends lassen zwei jungen Hausmusiker auf dem Klavier geklimperte und mit der Violine geseufzte Melodien von der Empore über die tafelnden Gäste schweben. Am Schluss wird dankend geklatscht. Ich klatsche mit – aus Freude, dass man jetzt ungestört weiter essen kann.
Das Essen? Man bekommt jeweils die Speisekarte schon für den übernächsten Tag vorgelegt. Die gewünschte Nummer aus dem Angebot von jeweils acht Vorschlägen für das Hauptgericht müssen auf einer persönlichen Karte notiert werden. Vier Gerichte tragen jeweils den Buchstaben D vor der Nummer. D kennzeichnet die Speise als geeignet bei einer Diät. Einen wirklichen Unterschied zwischen mit und ohne D konnte ich jedoch kaum feststellen. Für mich ist die Auswahl eingeschränkt weil in beiden Abteilungen je drei Angebote auf Fleisch beruhen, das ich nicht gerne zweimal täglich essen mag. Dies besonders hier, wo die Fleischgerichte (jeweils zwischen 120 bis 150 Gramm, gemäss Angabe auf dem Menu) sich fast alle als gleichartig erweisen: faserig, verkocht und fast ohne Salz oder Geschmack. Ausserdem gibt es allerdings jeweils noch ein fleischloses Alternativgericht. Das sind Angebote wie „Topfen mit Tee“, „Slowakischer Reis“,“Paprikaschoten mit Kässekreme“ (sic.!), „Nudelpudding mit Marmelade und Tee“ – und ähnliche Seltsamkeiten.
Kaum hat man sich an seinen vorgeschriebenen Platz gesetzt, wird ein Teller serviert mit der zwei Tage zuvor schriftlich bestellten Speise. Das Essen schmeckt mir durchaus nicht schlecht, aber doch nie so, dass es mich zum Nachbestellen verführt hätte. Fabelhaft: ohne je das geringste Hungergefühl verspürt zu haben, verringert sich unbemerkt mein Gewicht und erreicht am Ende der Kur wieder das tabellarisch für meine Grösse angegebene, sogenannte Idealgewicht.
Nach dieser kulinarischen Abschweifung zurück zu einem Thema, das mich wesentlich mehr beschäftigt als die Essensfrage: die schönen und weniger schönen Aspekte des heutigen, offiziell mit nur noch drei Sternen klassifizierten Hotels.
Ich erkenne auf alten Fotos, dass sich in früheren Zeiten vor dem Thermia Palace eine weitläufige „Broderie des Fleurs“ erstreckte. So nennen sich die besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beliebten Rabatten mit kunstvoll angeordnetem Blumenschmuck, der dreimal jährlich erneuert werden musste. Davon übrig geblieben ist nur ein kreisrunder Rasen direkt vor dem Hoteleingang. Im Rasen ist ein Stern ausgestochen und die Erde mit gelben Stiefmütterchen bepflanzt. Wohlwollend umgeben heute noch vier Statuen griechischer Gottheiten diesen kläglichen Blümchenstern.
Der Rasen ist von einem neuen, scheusslichen Pflaster aus kleinen Betonförmchen eingefasst (in der vergeblichen Hoffnung, dass dies an eine schöne, historische Kopfsteinpflasterung erinnern könnte). Diese gepflasterte Fläche dient zum Parkieren der Autos. Früher kamen die Gäste mit Pferdekutschen und die Kranken wurden in den speziellen Sänften des Kurorts herumgetragen, von denen im Napoleon-Bad noch ein Exemplar ausgestellt ist.
Der Portikus vor dem Hoteleingang ruht auf hohen Säulen, geschmückt mit Reliefs badender Damen und Herren. In der Mitte über den Säulen breitet sich ein Pfauenschwanz aus. Dies war ursprünglich das Wahrzeichen der Insel, von der man gesund und deshalb stolz „wie ein Pfau“ wieder nach Hause kehren kann.
Der Erbauer des Hotels brauchte aber für die Werbung ein deutlicheres Symbol. Von mehreren Künstlern liess er Menschen darstellen, die ihre Krücke wegwerfen. Zuletzt fand sich ein noch direkter wirkendes Bild zur Veranschaulichung der Wirkung des Heilbads; ein Jüngling zerbricht mit beiden Händen eine Krücke über dem Knie. Dieses Symbol ist heute in Piestany überall anzutreffen: am Ende der Fussgängerbrücke zur Thermalinsel als Statue aus Bronze, in Form von Reliefs an Hauswänden und sogar auf den Untergestellen der Bänke im Park, am Bahnhof mit Leuchtröhren nachgebildet usw.. Dieses Symbol wurde gar zum Stadtwappen Piestany erhoben. Um es noch deutlicher zu machen, steht oft darunter noch; „surge et ambula„, erhebe dich und wandle!
Wir betreten die runde Eingangshalle des Hotels. In der Mitte steht ein kleines Monument im schönsten Jugendstil: auf vier Löwenfüssen ruht ein Blumenbecken. Auf den Raubtiertatzen sitzen und vergnügen sich zwei nackte Putten, obwohl ihnen die Händchen längst abgebrochen sind. Sie lehnen sich an eine kurze Säule, die das Becken trägt. Von der einen Seite hängen Sonnenblumen herab, während sich ein langer, schwarzgrün gefleckter Schlangenleib zur Gegenseite streckt. Wahrscheinlich hat die Schlange einst drohend gezüngelt, doch das kann ich nicht sicher behaupten, da ihr Kopf irgendwann abgebrochen ist. Aus dieser herrlichen, historischen Keramik-Szenerie erblüht – jede Woche erneuert – ein geschmackvoll zusammengestellter Blumenstrauss.
Diese runde Halle muss man nicht nur beim Eingang ins Hotel betreten, man durchquert sie auch jeweils, um zum Speisesaal zu gelangen. Jedes Mal, wenn ich in diese Halle komme, konzentriere ich meinen Blick auf das zentrale Schmuckelement. So erspare ich mir den Anblick der restlichen Einrichtung, über die ein mitleidiger Mantel des Schweigens ausgebreitet werden soll.
Mehrere Glasbilder sind in erstaunlich gutem Zustand erhalten geblieben. Besonders angetan hat es mir der Pfau, das einstige Symbol des Stolzes über den hier erzielten Heilerfolg. Sein wallender Schweif, aus grünen und blau leuchtenden Glasstücken, erstreckt sich über drei Fenster des Treppenhauses. Dazu passt perfekt das dekorativ ausgestaltete Treppengeländer. Es brauchte nur an wenigen Stellen geflickt zu werden. Dabei wurde der ehemalige Handlauf aus Messing leider durch ein Stück Rohr ersetzt.
Die Rundung des Rohres ist sicher bequemer, aber doch ein bedauerlicher Stilbruch zum übrigen Geländer, das den Regeln der Wiener Sezession folgend einen quadratischen Querschnitt hat. Die Stufen der Treppe, vermutlich aus Marmor, sind jetzt unter verschiedenen, teilweise durchgescheuerten Läufern versteckt. In den Fluren sind die Böden (ursprünglich wohl Parkett?) mit diversen Spannteppichen ausgelegt. Dabei hat die Direktion der staatlichen Verwaltung besonders fähige Innenarchitekten ernannt. Ihr Können bestand nämlich darin, Teppiche mit Sprenkelmustern in den hässlichsten Farben auszuwählen und diese in besonders grausiger Art zu kombinieren.
Über den Zimmertüren sind noch die ursprünglichen Bronzeschilder mit den Zahlen in Jugendstil-Schrift erhalten geblieben. Die Türen selbst und deren Umrahmungen wurden jedoch wahrscheinlich von den gleichen, begabten Innendekorateuren mit weiteren Spannteppichgeweben zugeklebt. Sie sind nun durchgehend ziegelrot und die Oberfläche dieser Textilkunst ist noch verschönert durch eine raffinierte Musterung, gebildet aus unterschiedlich weit vorstehenden Fadenschlingen.
In den Zimmern wiederholt sich die Zusammenstellung unpassender Teppichfarben zwischen Eingangsbereich und dem Schlafteil. Und auch hier sind die senkrechten Flächen mit gemustertem Teppichstoff beklebt: die Schranktüren, die Vorderfronten der Schubladen und sogar das Bettgestell – durchgehend bräunlich-himbeerfarben.
Trotzdem ist der Aufenthalt in diesem Zimmer angenehm. Die Betten werden jeden Tag frisch bezogen. Die Untergestelle der Matratzen sind nicht wie in gewissen historischen Hotels durchhängend. Sie bestehen nämlich einfach aus Holzbrettern, so dass die daraufgelegten Matratzen nicht durchsacken, was ein wohltuendes Schlafen ermöglicht.
Die Zimmerfrau ist tüchtig, sehr freundlich und fast ebenso breit wie hoch. Sie hinterlässt die beiden Sanitärräume und das Schlafzimmer jeweils in perfekter Sauberkeit. Wenn diese nette Kugel aus Knoblauch, Zwiebeln und Schweiss herausgewabbelt ist, braucht man nach dem Betreten des Zimmers nur noch die Glastüre zum Balkon aufzureissen. Schon nach einer guten halben Stunde ist die Luft wieder rein und duftet nur noch nach dem Parfüm „sulfure no. 5“. Interessanterweise machte sich dieser Duft aus der Unterwelt nur gerade in den ersten paar Tagen leicht bemerkbar. Genauer gesagt; zu meinem eigenen Erstaunen habe ich diesen Geruch bald gar nicht mehr bemerkt.
Ludovit Winter, der gute Geist von Piestany
Anfänglich haben sich auf der Thermalinsel kranke Menschen zur Heilung in nasse Erdgruben gelegt. Später wurden die ersten Mineralquellen gefasst und 1820 wurde das heute noch bestehende Napoleon-Bad über einer der Quellen erbaut.
Die Firma Alexander Winter & Söhne unterzeichnete 1889 einen langfristigen Pachtvertrag zur Nutzung der Thermen. Kurz danach übernahm Ludovit Winter, einer der Söhne, im Alter von nur 20 Jahren, die Leitung des Unternehmens. Er begann, Badehotels zu errichten und widmete sein ganzes, langes und zuletzt tragisches Leben der Entwicklung des Kurorts.
Sein besonderer Stolz war das von ihm erbaute Luxushotel Thermia Palace und das Bad Irma, genannt nach dem Vornamen der Grundeigentümerin, Gräfin Erdödy. Unermüdlich erweiterte Ludovit Winter den Kurort mit weiteren Badehotels in der Ortschaft Piestany. Er verband die Flussinsel mit dem Städtchen durch zwei Brücken über den Hauptarm der Váh, gründete den Golfklub usw.
Ludovit Winter entstammte einer jüdischen Familie, war aber ein streng religiöser Katholik. Für die aus nah und fern anreisenden Patienten errichtete er eine katholische, sowie eine protestantische Kirche und eine Synagoge.
Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges begannen schwere Zeiten für den Kurort und besonders für den durch seine grossen Investitionen zu dessen Ausbau hoch verschuldeten Ludovit Winter. Es gelang ihm aber in der Zwischenkriegszeit wieder einen gewissen Aufschwung zu bewerkstelligen. Doch im Jahre 1940 wurde sein Besitz durch den Staat enteignet.
Als Spross einer jüdischen Familie kam Ludovit Winter in das Konzentrations-lager Theresienstadt, überlebte aber wie durch ein Wunder. Als 80-jähriger machte er einen neuen Start zum weiteren Ausbau des nicht mehr ihm unterstellten Kurortes, was ihm aber nur teilweise gelang. Er war in ständigen Finanznöten. Ein Sturz aus dem fahrenden Zug machte ihn zum Krüppel.
Mit 97 Jahren schrieb er seine erschütternden Memoiren und starb 1968, ein Jahr danach, als armer, verfolgter Mann. Seine Memoiren wurden erst 2001 publiziert, Man hat auch die zentrale Strasse von Piestany nach ihm benannt. Die „Ulica Winterova“ liegt in der Fussgängerzone und ist beidseitig mit zweistöckigen, architektonisch reizvollen, reich dekorierten Häusern geschmückt.
Heute ist Thermia Palace als Hotel mit drei Sternen klassifiziert. In den 70er Jahren des 20. Jahrhuunderts entstanden auf der oberen Seite der Flussinsel mehre moderne Hotels und balneare Einrichtungen, die einen geschlossenen Komplex bilden, mit insgesamt über 1000 Betten. Die beiden besten Hotels sind ebenfalls mit drei Sternen bezeichnet. Hier sind die Preise gleich wie im Thermia Palace. Alle andere Hotels haben nur ein oder zwei Sterne und entsprechend noch günstigere Preise.
Das einstige Luxushotel Thermia Palace hat heute eine gewisse Ähnlichkeit mit einer traditionellen, gut organisierten Klinik. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die Gäste in den internen Informationen als „Patienten“ bezeichnet werden. Auch die für die Mahlzeiten festgesetzten Zeiten – Mittagessen um 11h30, Abendessen um 18h00 – erinnern an ein Krankenhaus. Dazu kommt, dass man in den Korridoren dieses Kurhotels vor allem Menschen in Bademänteln begegnet, die von einer Therapie zur nächsten pilgern.
Arztvisite und Kurverordnung
Eine nette, ziemlich fliessend deutsch sprechende Krankenschwester will mehr von mir wissen, als ich mich teilweise überhaupt noch erinnern kann; welche Krankheiten und welche Beschwerden ich in Laufe meines Lebens gehabt hätte, aber nicht nur ich, sondern auch meine Eltern und sogar meine Geschwister, welche Medizinen ich benützte oder noch benütze usw.. Gemäss meinen Antworten füllt sie laufend einen mehrseitigen Fragebogen aus.
Dann wird der Blutdruck gemessen. Zuletzt wird mir noch Blut entnommen (das hasse ich). Ich muss auch ein kleines Gefäss voll Urin abliefern. Für den nächsten Tag bekomme ich einen Termin für die Arztvisite und die Erlaubnis, schon gleich das exklusiv den Hotelgästen vorbehaltene, warme Thermal-Schwimmbad im Freien zu benutzen.
Die Arztvisite ist länger und gründlicher als alles, was ich auf diesem Gebiet bisher erlebt habe. Auf Grund der verschiedenen, über Nacht bereits abgeschlossenen Laboruntersuchungen meiner Körpersäfte gibt mir die freundliche Ärztin angenehme Informationen über die verschiedensten Werte, die mich betreffen. „Fir irre Alter alles särr gutt„.
Nun werde ich genauestens befragt, betrachtet, betastet, beide Beine werden mir von ihr vorsichtig gestreckt und nach allen Seiten gedreht. Der Vergleich zwischen dem gesunden und dem operierten Bein ruft bei der Ärztin Stirnrunzeln hervor. Ihr Schreibstift saust unablässig über einen Papierbogen und an schematischen Abbildungen des Körpers werden Zeichen angebracht. „Biite-scheen, Herr Ruperti, in eine Woche Sie kommen zu mir zweite Mal, aber wenn Problèmm, biite-scheen, Sie kommen gleich, immer fir Sie Zeit.“
Im Labyrinth des Irma-Badepalastes finde ich nun den mir angegebenen Schalter, wo man die Formulare in einen Schlitz einwerfen muss. Durch die geschlossene Glastüre beobachte ich neugierig, wie die Krankenschwester mit meinen Papieren in der Hand neben einer jungen Frau mit knallrot gefärbten Haaren steht und auf sie einredet. Die Rothaarige tippt eifrig meine Daten in einen Computer.
Dann bekomme ich meine persönliche, schon nach kurzer Zeit ausgedruckte „Kurverordnung“ ausgehändigt. Von nun an muss ich sie immer bei mir tragen und jeweils in den verschiedenen Abteilungen vorlegen. Auf dieser Verordnung sind für alle Tage meines Aufenthaltes die Zeiten angegeben, wann und wo welche Therapien für mich eingeplant sind. Es sind zwischen 5 und 7 pro Tag und jede Therapie ist mit einem besonderen Symbol versehen, damit keine Verwechslungen entstehen.
Im Lauf der Tage werden mir in abwechselnder Reihenfolge verordnet: Reflex- Massage, Schlammpackung, Unterwasser-Massage, Parafango, individuelle Heilgymnastik, Sauna, Hydrokinesitherapie (erweist sich später einfach gesagt als Wassergymnastik), Moorbad, Spiegelbad und gewöhnliche Massage.
Dazu gesellen sich Symbole für elektrische Behandlungen. Für mich wurden vorgeschrieben: Pamatron, Ultraschall, Endo und Biolampe, doch alle ohne Zeitangaben. Die elektrischen Therapien soll man selber zwischen die anderen, festgelegten Zeiten einsetzen, denn bei den elektrischen Behandlungen werden die Termine für die Hotelgäste nicht aufeinander abgestimmt. Vom Personal sind nämlich jeweils nur wenige Handgriffe zur Einschaltung der Apparaturen in den Behandlungs-Zellen erforderlich. Trotzdem ergeben sich bei diesen Therapien manchmal gewisse Wartezeiten, bis ein Platz frei wird und man drankommt.
Zusätzlich wird noch empfohlen, täglich die Fitness-Einrichtungen, sowie das Thermal-Schwimmbad im Freien zu benutzen. Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. An manchen Tagen war ich – besonders am Anfang – von all den Therapien derart müde, dass ich diese Zusätze auch mit bestem Willen nicht mehr schaffte. Dies umso mehr, als die ersten Behandlungen teilweise schon um 6h30 beginnen. Mich trafen aber nur dreimal so frühe Anfangszeiten.
So wird man behandelt
Auf einer niederen Holzliege breitet der weiss gekleidete Pfleger dunkle Tücher aus. Ein junger, starker Angestellte in schwarzer Sportkleidung rollt auf einem Wägelchen schwere Kessel heran. Sie dampfen, sind gefüllt mit tiefschwarzem Schlamm.
Der Weissgekleidete breitet diesen Schlamm über die Tücher. Seinen Handzeichen folgend, habe ich mich inzwischen entblösst und versuche nun, mich mit dem Rücken auf die schwarzen Masse zu legen. Heiss, oh wie heiss! Doch dies ist nur der erste Moment, man gewöhnt sich schnell daran.
Der Weissgekleidete kommt auf mich zu. In der erhobenen Hand hält er einen bedrohlich wirkenden Apparat, angeschlossen an einem langen, grünen Schlauch. „Herzkiller!“ flüstert er mir zu. (An den Wänden fordern ja die Tafeln: „Bitte Ruhe. Lautes Sprechen verboten“). Ich erschrecke ein wenig, schüttle den Kopf, denn ich weiss nicht, was er beabsichtigt. Er versteht mich anders, aber eigentlich richtig: nein, ich hätte dies nicht nötig.
Nachher habe ich begriffen, um was es dabei geht. Durch ein System dünner, kreisförmiger Metallröhrchen fliesst kaltes Wasser. Menschen mit schwachen Herzen wird dieser Apparat bei der Schwitzkur auf die linke Brustseite gelegt als „Herzkühler“.
So liegt man da, auf schwarzem Schlamm gebettet, vom Weissgekleideten eng eingepackt, erst in Tücher, dazu noch in eine Wolldecke. Nur gerade der Kopf bleibt frei. Bald läuft der Schweiss über das ganze Gesicht und träufelt in die Augenhöhlen. Die Heilige Veronika gibt es schon lange nicht mehr und ihr nach 1500 Jahren geschickt nachempfundenes Schweisstuch (wenn auch nicht mit zeitlich korrektem Karbongehalt) ruht fest verschlossen seit rund 500 Jahren in einem Schrein aus Silber in Turin. Anstelle der wohltuenden Veronika erscheinen jedoch ab und zu ebenso nützliche Weissgekleidete. Statt eines Heiligenscheins, schwebt über ihnen der Geruch des hier so beliebten und von mir verhasstem Knoblauch. Mit sanften Handbewegungen und einem kleinen Tuch wischen diese duftenden Engel mir den Schweiss aus dem Gesicht.
Dann wird man wieder ausgepackt, mit einer Handbewegung in die bereits angedrehte Dusche geschickt. Diese befindet sich auf der Hinterseite der Zelle und dient gemeinsam je zwei Abteilen. Mit einer auf Rollen hängenden, seitlich verschiebbaren, verwitterten (historischen ?) Türe wird die Dusche abwechselnd zu der einen oder der anderen Zelle zugänglich gemacht. Die frei liegenden Wasserrohre sind mehrfach mit weisser Farbe überstrichen, doch der Rost kommt darunter stets wieder hervor. Das heisse Wasser verbreitet den üblichen Duft. Es ist offenbar dem Metall ebenso schädlich, wie uns Menschen nützlich.
Nun wird man angewiesen, immer noch splitternackt, in die Massageabteilung zu wandeln. Ein Masseur kommt, öffnet weisse, tadellos sauberen Vorhänge zu einer Kabine. Ich werde auf einen in der Höhe verstellbaren Tisch gelegt. Der Masseur beginnt meinen Rücken energisch zu kneten und zu reiben. Dann muss ich aufsitzen und die Arme werden behandelt. Für Brust und Bauch gibt es keine Massage. Die Prozedur hinterlässt bei mir eine ausgetrocknete Haut, die ich nach der Rückkehr ins Hotelzimmer mit Niveamilch pflegen muss.
Nicht zu verwechseln mit der Schlammpackung ist das Schlammbad. Der Badepalast Irma wird von einer zentralen Kuppel überragt. In dem darunter liegenden, vier Stockwerk hohen Saal befindet sich das Schlammbad. Der mächtige Kuppelsaal ist quer durch eine nur ein Stockwerk hohe Wand geteilt, sodass der Blick hinauf zum Kuppelgewölbe mit dem Oberlicht von beiden Seiten frei bleibt. Die Zwischenwand trennt die Damen von den Herren im gemeinsamen Bad. Mit den Füssen steht man im heissen Schlamm. Darüber ist das riesige, runde Becken brusthoch mit 40º warmem, schwarzem Wasser angefüllt.
An den Wänden weisen aufgehängte Schilder mit dem Symbol eines durchge-strichenen Mannes, dass Schwimmen nicht erlaubt sei. Ich hätte ohnehin keine Lust dazu – bei dieser Wärme. Vor allem muss ich aber die grossartige Architektur bestaunen. Die Beschädigungen an Figuren und Mosaiken, die Flecken an den Wänden stören mich wenig. Sie sind eher Zeugnisse der gloriosen Vergangenheit dieser vergammelten Pracht.
14 Rippen an der Wand streben auf zur Kuppel. Von beide Seiten der vorstehenden Rippen grinst in regelmässigen Abständen der Kopf von Neptun auf den Badegast hinunter. Die bärtigen Göttergesichter sind in grauer Keramik dargestellt und in ein Quadrat eingebaut, das formal beliebteste Element des Jugendstils der Sezession.
Rund um die Wand zieht sich ein Band mit Reliefs aus bunter Keramik. Aus grünlich-bläulichen Wellen glotzen grossäugige Meerestiere. In regelmässigen Abständen ragen ferner quadratische Elemente hervor, die abwechselnd gold-, silber- oder kupfer-farbig glänzen. In grün gekachelten Nischen zwischen den Säulenrippen wechseln sich die Reliefs ab; ein schnäbelndes Pelikanenpaar, dann zwei Bübchen, danach wieder die beiden Vögel usw.. Was diese Symbole verkörpern sollen bleibt mir unverständlich.
Jedenfalls hat es zwischen den beiden Figuren jeweils einen Hahn, aus dem wohl einst Wasser in die darunter befindlichen Gefässe geflossen ist, die mit grauen Seepferdchen verziert sind. Aus der Mitte der sittlichen Trennwand zwischen den beiden Geschlechtern erhebt sich ein kunstvoller Brunnen. Drei quadratische Neptungesichter speien – schon lange nicht mehr – Wasser in das Becken. Ihre keramischen Bärte sind teilweise abgebrochen.
Nach der vorgeschriebenen Zeit begebe ich mich treppauf, dann wieder treppab zum kleineren quadratischen Becken mit dem sogenannten Spiegelbad. Ich bin nur mit Badesandalen bekleidet, die anderen Männer meist mit gar nichts. Glücklicherweise habe ich keine unnötigen Probleme mit körperlichen Schamgefühlen. Dennoch blicke ich diskret zur Seite, wenn all die haarigen Wänste an mir vorbeiwatscheln und die müden Figuren dahinschleichen. Ich bin ja so glücklich, in einem Breitengrad zu leben wo das Klima von jeher der Anlass war, sich durch Stoffe zu schützen. Wie schön, dass die Mode-Industrie Dinge schafft, die eine Selbstdarstellung ermöglichen und so die Menschen interessanter und schöner erscheinen lässt, als sie es in Wirklichkeit sind.
Ausser in den Nacktabteilungen ist das Pflegepersonal überall weiblich und scheint durchgehend intelligenter zu sein, als die eher primitiv wirkenden Männer. Das zeigt sich schon bei den Sprachkenntnissen. Zu gewissen Massagen schickt mich die „Kurverordnung“ ausnahmsweise nicht zu Irma (Bad), sondern zu Napoleon. Dieses Bad ist offensichtlich renoviert worden. Ich versuche vom Masseur die Auskunft zu bekommen, wann die Renovation gemacht wurde. Er nickt verständnisvoll, zeigt mir freundlich grinsend das Fläschchen mit dem Massageöl und antwortet nicht sehr genau auf die ihm gestellte Frage: „Ell särr gutt„. Ich versuche noch zwei Mal die Frage langsam und deutlich zu stellen, doch die Sprachbarriere lässt sich nicht überbrücken.
Ich erfahre später, dass man die Renovation im Jahre 2001 gemacht hat. Von aussen wurden die beiden langen, parallel liegenden, scheinbar einstöckigen Gebäude perfekt restauriert. Die breit ausladenden Dächer ruhen auf weissen, dorischen Säulen. Die Hauswände sind frisch bemalt in dem nach der Kaiserin Maria Theresia benannten, warmen, leuchtenden „Theresiengelb“. Zwischen den Säulen und den Wänden sind breite offenen Wandelhallen, wo man sich wie früher in der frischen Luft auf Bänken ausruhen kann. Innerhalb der Gebäude ist aber alles vollständig erneuert worden. Im Erdgeschoss und verborgen im grossen Dachgeschoss mit Oberlicht finden sich moderne sanitäre Installationen, Kabinen aus hellen Holzwänden und Schwimmhallen mit Keramikfliesen, die in ihrer Anordnung andeutungsweise den einstigen Empire-Stil verkörpern. Eine Meisterleistung!
Trinkgeld oder Korruption?
Im geschlossenen Parkteil auf der Rückseite des Thermia Palace findet sich das bereits erwähnte, exklusiv den Hotelgästen zugängliche Thermal-Schwimmbecken. Das Wasser ist von Anfang November bis Ende März angenehme 32-33º warm. Im Sommer wird es etwas mehr abgekühlt auf 30-31º. Zarte Dunstschleier, mit einem Hauch des unterirdischen Parfüms „sulfure no. 5“ schweben über der Wasserfläche. Ein Kopf kommt auf mich angeschwommen, lächelt mir zu und spricht mich an. Mir ist rätselhaft, wie die mir fremde Dame herausgefunden hat, dass ich Gärten gestalte. Jedenfalls gibt mein Kopf über dem Wasser ihr bereitwillig die Auskünfte, welche Pflanzen für den mir beschriebenen Garten bei einem neuen Haus auf einer Meeresinsel im Norden Deutschlands empfehlenswert sein könnten.
Die Richtung der Ratschläge kehrt sich um. Der Kopf der Dame, die hier schon mehrmals als Kurgast weilte, erklärt mir nun als Gegenleistung für meine Gartenberatung, zu welchem Betrag und in welcher Weise Trinkgelder hier am besten verteilt werden sollten.
Die empfohlene Menge scheint mir recht bescheiden, das Vorgehen hingegen ungewohnt. Unbedingt bevor, nicht erst nach den einzelnen Therapien müsse Geld gegeben werden. Es sei nämlich erstaunlich, wie sich dadurch jedes Mal der Service verbessert.
Ich nehme die Hinweise dankbar entgegen. Ich war zwar in den ersten Tagen mit allen Dienstleistungen zufrieden und besonders angenehm überrascht hat mich die stete Freundlichkeit des Personals. Etwas zögernd versuche ich es nun mit der mir empfohlenen Korruption. Als solche muss man doch eigentlich eine Geldübergabe bezeichnen (selbst wenn sie noch so bescheiden ist) die zur Verbesserung einer nachfolgenden Dienstleistung dienen soll. Ein kleines Geschenk, wie gewohnt erst nachher zum Dank ist ganz etwas anderes.
Doch ich habe mich schnell an dieses System der kleinen Korruption gewöhnt. Es bewirkt tatsächlich Wunder: Der Geldschein verschwindet blitzschnell. Plötzlich vergrössert sich die aufgehäufte Schlammmenge wesentlich, der Schweiss wird öfter aus dem Gesicht gewischt, das Kneten des Masseurs wird wie von selber stärker und dauert länger usw. So habe ich in einem der östlichen, europäischen Länder, die bekanntlich seit jeher die Korruption mit besonderer Hingabe gepflegt haben, diese nützliche Kunst erlernen können – wenn auch nur in sehr bescheidenem Umfang.
Geistige Gymnastik
Einige Therapien sind zwar mit gymnastischen Übungen verbunden, die meisten muss ich aber in völliger Passivität über mich ergehen lassen: mit Schlamm bewegungslos eingepackt, auf Massagetischen und unter elektrischen Geräten. Um zwischen all diesen rein, auf den Körper bezogenen Zeitabschnitten doch nicht geistig völlig abzustumpfen, erweist sich der mitgenommene Laptop als sinnvolles Gegenmittel.
Er dient mir bei einer längeren Übersetzung vom Russischen ins Deutsche. Das ist für mich eine noch ungewohnte und deshalb nützliche, geistige Turnübung. Es handelt sich um ein 64-seitiges, handschriftliches Manuskript. Die Autorin hatte ich bei einer Einladung zu einer von meiner Schwester Marischa in Basel veranstalteten, russischen Osterfeier kennen gelernt. Wir hatten aber bei dieser bisher einzigen Begegnung nur wenige Worte gewechselt. Irina Marc und ich sind ziemlich entfernt miteinander verwandt, dank einer gemeinsamen Ur-Urgrossmutter. Aus Deutschland nach Russland ausgewandert, hatte es die aus Kaufleuten und Bankiers bestehende Familie in der neuen Heimat zu Ansehen und grossem Reichtum gebracht. Beides ging bei der Kommunistischen Revolution im Jahre 1917 verloren.
Im Gegensatz zu fast allen anderen Personen der weit verzweigten Familie – unter anderem auch meiner beiden Eltern – ist der Vater von Irina auch nach der Revolution in Russland geblieben.
Der damals noch sehr junge Mann glaubte fest an die kommunistische Illusion von Gleichheit und Brüderlichkeit und weigerte sich deshalb, sein Geburtsland zu verlassen, in dem nun das neue Paradies verwirklicht werden sollte. Voll Begeisterung stiftete er aus seinem persönlichen Besitz einen Beitrag zur Verwirklichung dieser Ideale in der Höhe von zwei Millionen Rubel (nach heutigem Wert rund 20’000’000 €).
Doch als Dank dafür wurde ihm später sein gesamter übriger Besitz abgenommen und er vegetierte mit seiner Familie zusammengepfercht in einem Zimmer einer ihm staatlich zugewiesenen, mit mehreren anderen Familien geteilten Wohnung. Aber auch dieses Glück währte nicht lange. Irina war fünf Jahre alt, als er festgenommen wurde, kam er doch aus einer „nicht sozial angeglichenen Schicht“ und war erst noch deutscher Abstammung. Irina beschreibt, wie sie erst Jahre später von der Erschiessung ihres Vaters erfahren hat und wie die Mutter – nur weil sie dessen Frau war – lange Jahre in einem Gulag in Sibirien bleiben musste, sowie andere schreckliche Dinge aus dem Alltag unter Stalin.
Irinas Vater und sein Schwager, Ivan Salomon, wurden am gleichen Tag verhaftet. Die KGB (politische Polizei von Sowjetrussland) hat Salomon so lange gefoltert bis der unglückliche, willenlos gemachte Mann – in der falschen Hoffnung dadurch sein eigenes Leben zu retten – die von seinen Peinigern erwünschten, völlig unwahren Verhörprotokolle unterschrieb. Damit hatten die Folterknechte den gewünschten Vorwand, Irinas Vater, als angeblichen Spion und Volksfeind mit einem Anschein von Justiz zur Erschiessung zu verurteilen.
All das zu erfahren ging mir sehr nahe. Auch erfuhr ich erst bei dieser Übersetzungsarbeit, dass Euphrosia Salomon die Witwe dieses verräterischen Schwagers war. Auch sie war lange Jahre nach Sibirien verbannt. Der Zufall will es nämlich, dass ich dieser Frau bei einem Besuch in Moskau vor etwa 30 Jahren persönlich begegnet bin. Die Schwester meines Vaters hatte mir einen kleinen Koffer mit warmen Kleidern und einigen Lebensmitteln für ihre in Russland verbliebene Jugend-freundin auf meine Reise mitgegeben.
Ich werde nie vergessen, mit welcher Angst die vor Alter gebückte, aber intelligent wirkende Frau mich als Ausländer begrüsst hat. Sie wollte mich hastig über tausend Dinge ausfragen, wagte aber nicht, allzu lange mit mir zusammen zu bleiben. Es schien mir dann besonders grotesk, unter welchen Vorsichtsmassnahmen ich ihr die damals so begehrten, aber streng verbotenen Geschenke aus dem Ausland übergeben musste.
Nachdem ich die Übersetzung gemacht hatte, fuhr ich fort mit dem Tippen auf den Laptop. Ich notierte meine Beobachtungen in dem mir bisher noch nicht bekannten Land. Es ergab sich daraus ein buntes Mosaik persönlicher Eindrücke. Zuletzt kam mir der Gedanke, dass dies vielleicht nicht nur für mich eine private Erinnerungshilfe wäre, sondern auch einige Bekannte interessieren könnte. Deshalb schrieb ich diesen vorliegenden Bericht.
Zwei Ausflüge nach Bratislava
Die Hauptstadt liegt direkt an der Grenze zu Österreich, in der äussersten südwestlichen Ecke der Slowakei. Früher wurde Bratislava „Pressburg“ genannt und war von 1526-1784 die Hauptstadt des Ungarischen Reiches. Die Entfernung zu Piestany beträgt 80 km.
Man kann im Reisebüro Theaterkarten in Verbindung mit dem Zubringerdienst bestellen. Pünktlich werden wir vom Chauffeur im Hotel abgeholt. Er stellt sich als Wladimir vor und gibt während der Fahrt mit grosser Bereitwilligkeit Auskünfte über sein Land. So erweist sich bereits die Fahrt nach Bratislava als interessant, ja fast noch lohnender als der Theaterabend.
Wladimir hat in seinen 28 Lebensjahren schon Vieles unternommne. Nach Abschluss der Hotelfachschule flog er jeweils in ein fremdes Land, soweit das jeweils vorhandene Geld für den Flug reichte. Dort schlug er sich irgendwie durch, erlernte dabei mehrere Sprachen und verdiente genügend, um zuletzt doch wieder nach Hause zu kommen. Jetzt ist er als Chauffeur tätig und – wenn er nicht selber am Steuer ist – auch gelegentlich als Reiseleiter für Einzelpersonen oder Kleingruppen. Hier in Piestany soll es für diese Tätigkeit das ganze Jahr Arbeit geben, fast ohne Saison-Schwankungen.
Interessant scheint mir auch die Karriere seines Auftraggebers, Inhaber des Reiseunternehmens. Nach der politischen Wende vor zehn Jahren hatte dieser im Alter von 23 Jahren damit begonnen, den nun immer mehr aus dem Ausland eintreffenden Gästen touristische Dienstleistungen anzubieten. Heute unterhält er eine Flotte von kleinen und grösseren Bussen, beschäftig zahlreiche Personen und hat alleine in Deutschland Kontakte mit über 100 Reisebüros, die ihm Kunden schicken.
So gelingt es einzelnen, initiativen Persönlichkeiten nach Ende der kommunistischen Zwangswirtschaft selbständig ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Das sind aber seltene Ausnahmen. Dem Grossteil der Bevölkerung geht es bei einem monatlichen Durchschnittslohn von 300 € wirtschaftlich im Vergleich mit Westeuropa noch keineswegs gut. Dennoch sind überall Fortschritte zu verzeichnen und Wladimir ist überzeugt, dass auch sein Land in 10 Jahren den Westen eingeholt haben wird.
Äusserlich ist von der relativen Armut schon jetzt kaum mehr etwas zu sehen. Bemerkenswert scheint mir jedoch das Gefälle von West nach Ost innerhalb der Slowakei. Laut den Angaben von Wladimir beträgt die Arbeitslosigkeit in Bratislava gegenwärtig nur 2,8 %, in Piestany jedoch schon 8 %. Gegen Osten steigt die unerfreuliche Zahl bedenklich an und umfasst unweit der Grenze zur Ukraine ganze 35 % der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter.
Das Staatstheater steht an einem grossen Platz am Rande der reizvollen Altstadt von Bratislava. Neben Gastspielen aus Wien, arbeitet das Theater hauptsächlich mit einer erstaunlich grossen Zahl von fest angestellten Schauspielern, Sängern und Tänzern und bietet ein abwechslungsreiches, vielseitiges Programm. Wir besuchen das Ballett von Tschaikowski, dass dieser auf Russisch „Spjaschija Krasavitza“, nannte. Die Engländer nennen es korrekt übersetzt „Sleeping Beauty“, auf Deutsch läuft es dagegen unter dem verfälschten Begriff „Dornröschen“.
Für die Aufführung in Bratislava wurde die historischen Choreografie des berühmten Ballettmeisters Marius Petipa übernommen. Bei den Kostümen hat man eine halbherzige Modernisierung versucht, statt etwas wirklich Neues zu erfinden, oder aber das historische Vorbild auch in dieser Hinsicht zu befolgen. Das Gleiche könnte für das Bühnenbild gesagt werden. Trotzdem gefiel mir die Aufführung recht gut.
Die Bühne ist nicht gross genug, wenn mehr als 40 Tänzer sich gleichzeitig darauf bewegen, doch das stört nicht allzu sehr.
Adalberto dagegen bemängelte dies und das; nicht eine einziges „Fouetté“ bringen die hier fertig! Er vergleicht – was mir etwas unfair erscheint – mit dem von ihm in der Scala genossenen Ballettabend. (Übrigens, auch italienisch war dieser korrekt übersetzt getitelt: „La Bella Addormentata“).
Zufällig sehen wir am Fernsehen zwei Abende danach ein anderes Ballett, und das war nun wirklich atemberaubend: eine Übertragung aus dem Pariser Palais Chaillot, Tschaikowskis „Nussknacker“ von keinem Geringeren als Maurice Béjart in genialer Weise modernisiert! Und was für Talente, selbst im Chor ist jede Tänzerin und jeder Tänzer qualitativ ein Solo-Star.
Am zweiten Sonntag des Kuraufenthaltes begeben wir uns nochmals nach Bratislava. Am Sonntag hat das Badepersonal frei, nur das Hotelpersonal (Zimmerdienst und Restaurant) müssen arbeiten. Es gibt also keine Therapien und so haben auch die Gäste/Patienten einen „freien Tag“.
Diesmal fahren wir mit der Eisenbahn. Erstaunlich ist das Ausmass der landwirt-schaftlichen Flächen. In leuchtendem Grün glänzen die ausgedehnten mit Winter-Weizen besäten Äcker. Die grossen Maisfelder sind gepflügt, ebenso die Kartoffelfelder. Fett und dunkel erstrecken sich die umgekehrten Erdschollen in endlos scheinenden Reihen.
Die Grossgrundbesitzer wurden von den Kommunisten enteignet und auch kleinere ehemalige Bauernbetriebe wurden verstaatlicht, um einheitlich und grossflächig im Kollektiv arbeiten zu können. Die riesigen Felder werden meist durch kleine Bäche getrennt; deren Ufer sind von einem schmalen Band mit Gesträuch und Bäumen bewachsen, die einen willkommenen Windschutz für die weiten Flächen bieten. Erschreckt durch den vorbeifahrenden Zug springen immer wieder Hasen aus diesen Verstecken hervor.
Bei den Siedlungen ändert sich plötzlich das Bild. Statt den grossen Flächen der Staatsbetriebe umgeben kleine, schmale Parzellen die Häusergruppe. Diese im Privatbesitz verbliebenen Stückchen Erde sind bepflanzt mit Kohl, mit kurzen Reihen Spalierobst, oder Himbeersträuchern usw. Manchmal sind sogar einige Farbtupfer von blühenden Chrysanthemen zu sehen.
In Bratislava bringt uns ein Taxi zur historischen Burg mit den vier weithin sichtbaren Türmen hinauf. Der Blick schweift über die Donau und das Häusermeer. Eine interessante, moderne Brücke überquert den Strom. Zwei riesige Pfeiler beidseits der Brücke stützen in grosser Höhe ein Rundsicht-Restaurant. Von dieser Stütze spreizen sich fächerförmig Stahlkabel (interessant: nur nach einer Seite) und tragen so in eleganter Weise die ganze lange Brücke, nur von einem Punkt verankert.
Ein angenehmer Spaziergang führt hinunter zur St. Martins Kathedrale. Gerade ist Gottesdienst in dieser schönen und historisch interessanten Kirche. Wir beschliessen deshalb, am Nachmittag nochmals hineinzuschauen. Das hat sich gelohnt, schon wegen der herrlichen, spätgotischen Gewölbebögen. Besonders prachtvoll sind die beiden riesigen, goldenen Altäre mit vielen, aus Holz geschnitzten, farbig bemalten Figuren.
Direkt an die Kirche seitlich angebaut erstreckt sich ein grosses, etwas vergammeltes Gebäude. Vielleicht war dies der einstige Bischofspalast? Jetzt ist es aber ein sehr originelles Kunst-Museum. Das Tor ist verschlossen, obwohl eine täuschend naturgetreu darauf gemalte Treppe zum Eintreten lädt. Von den Fenstern lächelt Leonardos Gioconda auf den Betrachter hinunter und imitiert Warhols Marilyn, indem sie sich in grellen, wechselnden Farben wiederholt.
In einem der anderen Fenster ist die Kopie der so teuer verkauften Sonnenblumen zu sehen. Gleich daneben das Selbstporträt des rothaarigen Holländers, der zu seiner Lebzeit nur eines von all seinen heute so kostbar gewordenen Bildern verkaufen konnte und sich zuletzt verzweifelt ein Ohr abgeschnitten hat. Während eine Seite dieses höchst amüsanten Kunstmuseums an die Kathedrale angebaut ist, erstrecken sich die Zitate aus der Kunstgeschichte in grellen Farben über alle Fenster der drei freistehenden Fassaden.
Während uns der Weitblick über die Donau auf die neue Stadt eine Ansammlung von langweiligen Plattenbauten zeigte, die zuletzt an eine ausgedehnte Raffinerie grenzen, ist die direkt unter der Burg gelegene Altstadt von grossem Reiz. Der Spaziergang durch diese autofreie Zone bietet dauernd neue architektonische Überraschungen. Prächtige Adelspaläste, vor allem aus dem 18. und 19. Jh., bis hin zu einem ganz besonders schönen, grossen Gebäude im Jugendstil wechseln ab mit entzückenden alten, teilweise nur einstöckigen Bürgerhäusern.
Nur ganz wenige Häuser sind noch halb verfallen. Fast alle sind wieder gut bis perfekt restauriert und erfreuen mit ihren ganz verschiedenen Farben, mit interessantem Reliefschmuck und anderen Verzierungen. Dabei wirkt der Spaziergang auch höchst amüsant, denn der Humor der originellen Kunstschau neben der Kathedrale zeigt sich immer wieder. Der Teerbelag in der Altstadt ist historisch korrekt durch Pflastersteine ersetzt worden. Plötzlich ist irgendwo der Fussabdruck eines Menschen auf einer Bronzetafel zwischen den Pflastersteinen im Boden eingelassen. Dies sei das Denkmal für einen Mann der besonders grosse Füsse hatte, keine passende Schuhe kaufen konnte und deshalb barfuss gehen musste. An einer anderen Stelle ist eine Schriftplatte aus Bronze im Boden. Sie beglückt die Japaner mit der tröstlichen Inschrift: „Now Japan has also a place in Central Europe“.
Ich versuche mir das Resultat vorzustellen, falls im seriösen Zürich ein Künstler versuchen würde, der Stadt ein so lustiges Kunstwerk zu übergeben, zur Freude der Einwohner und seiner Besucher. Doch in Zürich – da gibt’s nichts zu lachen! Dort reicht die Toleranz höchstens zu ernsten, klobigen Bill Balken an der Bahnhofstrasse.
Bei einem italienischen Restaurant mit dem Namen „Paparazzi“ versteckt sich tatsächlich ein solcher hinter der Ecke und filmt die Vorgänge auf der Querstrasse. Diese so echt wirkende, lebensgrosse Figur ist in schwarz patinierter Bronze erstarrt.
Vor wenigen Jahren ist in Bratislava eine stadtbekannte Figur gestorben. Der Mann sei immer sehr seltsam und doch elegant gekleidet gewesen. Er habe die Passanten angesprochen und mit lustigen Sprüchen unterhalten. Bevor ich das erfahren habe, lerne ich jedoch diesen Mann kennen, wie er noch immer, silberglänzend aus Aluminium, mit einer ausladender Armbewegung die Fussgänger auf dem Gehsteig anzusprechen scheint.
Fast wäre ich über eine lustige Figur gestolpert, obwohl ein darüber aufgestelltes Schild warnt „Men at work!“ Ich hatte nicht einmal Zeit zu überlegen: warum englisch und nicht slowakisch? Tatsächlich, da hat ein Kerl in Arbeitskleidung einen Dohlendeckel im Gehsteig beiseite geschoben. Man sieht nur seinen Oberkörper. Er versucht, sich aus der Kanalisation emporzuheben. Das tut der schmutzige Mann aus dunkler Bronze schon lange erfolglos.
Ich bin total erschöpft, weil ich vor lauter Vergnügen gar nicht gemerkt habe, wie lange der Spaziergang war. Gleich hinter dem aus dem Boden hervor kriechenden Arbeiter ist der Eingang zu einem Restaurant. Es heisst „Dolce vita“, bietet eine höchst willkommene Ruhepause und ein italienisches Mittagessen. Was für ein Genuss nach der braven Kost im Thermia Palace! Die Portionen sind allerdings so gross, dass wir bedauernd fast die Hälfte stehen lassen müssen und kein Dessert bestellen. So kostete das Mittagessen inklusive Wein und Mineralwasser für uns Beide zusammen 15 €. (Fast peinlich).
Als wir später an einem hocheleganten, allzu verführerisch aussehenden Kaffeehaus vorbeispazieren, können wir nicht widerstehen und wollen das Dessert doch noch nachholen. Welche endlose Reihe der allerfeinsten Konditoreiwaren im ersten Raum! Dahinter mehrere Sälchen, mit dunkelrotem Samt bezogene, gepolsterte Stühle, Vitrinen mit kleinen kostbaren Antiquitäten als Wandschmuck und die erklärende Inschrift: „Ehemals k. und k. Hoflieferant“. Dieser Besuch einer Welt vor hundert Jahren, zusammen mit Kaffee und Kuchen, ist nun auch für uns ein „königlich und kaiserliches“ Vergnügen – und das zum Totalbetrag von 6 €!
Geschehen Wunder ?
Es bereitet mir Mühe, an Wunder zu glauben. Dabei gilt wohl mit Recht, dass Glauben stark, ja sogar selig machen kann. Aber vielleicht habe ich ungläubiger Mensch nun doch ein Wunder erleben können. Jedenfalls konnte ich bereits am zehnten Tag meines Kuraufenthaltes meine bisher unumgänglich scheinende Gehhilfe in eine Zimmerecke wegstellen. Nur einmal habe ich den Spazierstock hervorgeholt, als ich den Sonntagsausflug nach Bratislava unternahm. Bei dem so interessanten, stundenlangen Spaziergang war ich doch wieder froh über diesen bisher treuen Begleiter. Aber jetzt darf ich mich definitiv von ihm verabschieden.
Dies erinnert mich an ein Erlebnis vor vielen Jahren. Ich hatte Lourdes besucht und mich dem Zug vieler Menschen angeschlossen, die unermüdlich Ave Maria singend die heilige Grotte des Hirtenmädchens Bernadette umkreisten. Plötzlich ein Aufschrei! Ein Mann hat seine Krücke auf den Haufen der kunstvoll arrangierten Sammlung von vielerlei Gehstützen geworfen und schreitet stolz davon. Ich amüsierte mich innerlich über die erfolgreiche Aufführung. Sicher ein genialer Werbetrick des Touristenbüros, zu dem sich der Mann nun vermutlich begibt, um sein Honorar für die vorgespielte, plötzliche Heilung in Empfang zu nehme! So versuchte ich eine mir akzeptabel scheinende Erklärung solcher Wunder. Oder soll man es wörtlich nehmen, dass Glauben stark macht?
Ich bin in solchen Sachen äusserst skeptisch, beneide aber immer alle, die das nicht sind. Wie aufregend muss doch das Leben der vielen Wundergläubigen sein, die irgend eine ihnen nicht gewohnte Erscheinung am Himmel zu beobachten glauben und nun mit Spannung die baldige Landung der Ausser-irdischen erwarten. Ebenso weit entfernt fühle ich mich innerlich von Menschen, die mit Sicherheit wissen, dass die Jungfrau Maria auf das Vergnügen verzicht hat, das normalerweise die Voraussetzung für eine Geburt bildet. Die Liste meiner Glaubensprobleme liesse sich verlängern.
Jetzt ist mir aber tatsächlich selber ein solches Wunder passiert, indem mein Stock verschwindet. Für immer, oder nur für eine gewisse Zeit? Das wird sich zeigen. Jedenfalls versuche ich nun wirklich fest daran zu glauben, dass manchmal Wunder geschehen. Deshalb habe ich Adalberto und mich am Schluss der Kur bereits für eine Wiederholung nach einem Jahr angemeldet, also wieder zum Beginn des Winters, wenn Gärten weniger Freude schenken können als in den anderen Jahreszeiten.