Drei unvergessliche Wochen verbrachte ich im Januar 2007 in Kerala Süd-Indien. Mein italienischer Freund Adalberto war auch dabei, wie nun schon seit 35 Jahren bei fast allen Reisen. Diesmal ist auch meine Schwester Marischa mitgekommen, sowie Pia, eine langjährige Freundin aus Italien. Später stiess auch ihr Sohn Alessio zu uns.
Kerala
Kerala heisst übersetzt „Land der Kokospalmen“. Es erstreckt sich entlang der Malabaraküste im Südwesten von Indien. Seit 1947 ist die frühere britische Kolonie ein Bundesstaat von Indien
Kerala ist unter anderem bekannt für den Anbau verschiedenster Gewürze, sowie für zahlreiche Ayurveda Zentren zur Erholung und Gesundheit. Verglichen mit anderen indischen Gebieten ist hier der Lebensstandard höher. Kerala hat auch die niedrigste Rate von Analphabeten des ganzen Landes. Dem bedrückenden Anblick von Bettlern und verkrüppelten Menschen ist man weniger ausgesetzt als sonst in ganz Indien.
Doch auch in Kerala herrscht Unordnung und überall liegt Dreck herum. Selbst in der Hauptstadt Trivandrum (heute offiziell Thiruvananthapuram genannt) häufen sich mancherorts Berge von Abfall, sogar vor dem Eingang zu eleganten Geschäften. Weggeworfene, schrottreife Fahrzeuge verrosten an Strassen-rändern. Der dichte Verkehr mit verlotterten, überfüllten Autobussen, an denen von links und rechts zahllose, dreirädrige motorisierte Rikschas vorbeipreschen, ist auch hier geradezu chaotisch. Die sinnverwirrende Szene wird untermalt durch die indischen Musikdarbietungen, die aus den auf höchste Stufe geschalteten Lautsprechern entlang der Strasse erschallen.
Bei meinen früheren Indien-Reisen konnte ich als jüngerer Mensch ein solches wildes Durcheinander noch als ungewohnte Exotik geniessen. Diese Toleranz ist mir seither leider weitgehend verloren gegangen. Doch meine Kritik beschränkt sich auf Äusserlichkeiten. Der Weisheit einer Jahrtausende alten, indischen Kultur gegenüber empfinde ich tiefe Ehrfurcht. Ich verstehe davon allerdings sehr wenig. Erst jetzt hat sich für mich dank der praktischen Erfahrung mit Ayurveda ein kleines Fenster geöffnet.
Eindrücke von Indien
Mein unüberwindliche Intoleranz gegenüber gewissen äusserlichen Erscheinungen in Indien, besonders Chaos, Dreck und Lärm, wird durch andere Gegebenheiten ausbalanciert. Dazu gehört die Begeisterung, die ich beim Betrachten der hiesigen Frauen empfinde. Auch offensichtlich wenig Bemittelte wandeln einher wie stolze Königinnen. Alle tragen die wunderschönen Saris (vorläufig noch – aber die Globalisierung droht auch dieser Kulturerscheinung mit der Zeit ein trauriges Ende zu bereiten).
Die so elegant wirkende Bekleidung wird in allen nur denkbaren Farben getragen und schmeichelt dem weiblichen Erscheinungsbild. Zu den meinst hüftlangen, tiefschwarzen, glänzenden Haaren entstehen durch die leuchtenden Farben der Saris besonders reizvolle Kontraste. Ein langer Schal aus fast durchsichtigem Material wird mit scheinbarer Nachlässigkeit über die linke Schulter drapiert. Bei Schreiten weht er winkend hinter der Trägerin einher. Ebenso wie junge Mädchen wirken selbst alte Frauen beinahe wie Erscheinungen aus einem Märchenland.
Einen traurigen Kontrast dazu bildet die männliche Bekleidung. Nur noch selten trägt auf dem Lande ein meist älterer Mann bloss das traditionelle, mehrfach um die Hüften geschlungene Tuch bei sonst nacktem Körper. Praktisch alle verstecken ihre in Südindien fast immer schlanken, eher kleinen, wohlproportionierten Gestalten in banaler, als „modern“ empfundene Bekleidung. Beliebt sind Blue Jeans und irgendwelche hässliche Turnleibchen, wenn möglich mit einer Aufschrift oder einem Markenzeichen. Die Gleichheit der Geschlechter beschränkt sich auf die Fussbekleidung: die nackten Füsse stecken in offenen Sandalen.
Anreise
Wir flogen mit Swiss von Zürich nach Mumbai, das früher Bombay genannt wurde. Nach der Übernachtung in einem Hotel an der Meeresküste brachte uns der Weiterflug mit Air India nach der Hauptstadt des Departements Kerala. Im englischen Sprachgebrauch wird für den langen und komplizierten Namen der Stadt meist die Abkürzung „Trivandrum“ verwenden. Sie liegt fast an der Südspitze des riesigen Landes.
Ein paradiesisches Ghetto
Wir wohnten im „Agastya Ayurveda Garten“. Hier blieb man von der realen indischen Welt weitgehend isoliert. Das von uns erlebte Paradies besteht aus einem dicht bewachsen Hain, hauptsächlich mit Kokospalmen und erstreckt sich auf einem Hang, der ziemlich steil vom Meer aufsteigt. Das von einem hohen Zaun umgebene Grundstück wird auf einer Breite von 400Metern vom Ozean begrenzt. Zwischen hell- und dunkelgrauen Felsen hat es hier eine wunderschöne Bucht mit einem flachen, gelbem Sandstrand.
Etwas erhöht über dem Meer verstecken sich 20 unauffällig wirkenden Bungalows unter hohen Palmen. Sie bieten Platz für 40 Gäste. Für mich war es die Erfüllung eines stets gehegten Traums, in einer so einfach aussehenden Behausung in einer paradiesischen Umgebung wohnen zu dürfen. Die Bungalows bestehen aus lauter einheimischen, natürlichen Materialen: die Böden sind belegt mit unglasierten Tonplatten. Verflochtene Bambusblätter bilden die Wände.
Auf Stützen aus dünnen, entrindeten Teakholz-Baumstämmen erhebt sich darüber die hohe Dachkonstruktion. Ein Gerüst aus Bambusstäben wird durch Seile aus Fasern der äusseren Schale von Kokosnüssen zusammen gehalten. Auf diesem Gerüst ruht ein dicker Belag. Er besteht aus Palmenblättern, die hier erstaunliche 5 – 6 Meter lang werden. Die zentrale Blattrispe wird entlang ihrer Mitte aufgeschnitten. An jeder der beiden Hälften werden danach die Blattwedel ineinander verflochten und bilden dann eine regensichere Schicht. Zwischen den Bambuswänden und dem Dach bleibt ein frei gelassener Zwischenraum. Somit durchweht stets ein angenehm kühlendes Lüftchen den Raum.
Diese historische Bauweise ist ideal für das Wohlbefinden der Bewohner. In tropischen Ländern wird ein Hotel ohne „air conditioning“ nicht mit vielen Sternen bewertet. Mir erschien diese historische Methode zur wirksamen Kühlung, ohne störendem Summen moderner Apparaturen, wesentlich angenehmer. Ebenso empfand ich die Abwesenheit von Fernseher und Zimmertelefonen keineswegs als Einschränkung, sondern im Gegenteil sogar als Beitrag zu einem wirklich erholsamen Aufenthalt.
Recht ungewöhnlich und sympathisch wirkte auch die sanitäre Einrichtung: Auf der Rückseite der Bungalows hat es einen von mannshohen Wänden umgebenen Raum ohne Decke. Zwischen dem Waschbecken, der Dusche und dem WC wachsen Pflanzen direkt aus dem Boden, der nur zum Teil mit Platten belegt ist. In unserem Bungalow erfreute uns ein hohes Palmengestrüpp neben dem Klo – und auf der gegenüber liegenden Seite eine auffällige Croton-Gruppe. Dies sind tropische Zierpflanzen mit grün-rosa, dunkelroten und leuchtend gelb gemusterten Blättern.
Vor dem Bungalow hat es ein vorgezogenes Palmblätter-Dach. Darunter finden sich bequeme Möbel, die Modellen aus der Kolonialzeit nachgebaut sind. An zwei Palmstämmen ist eine Hängematte befestigt. Auf einem Fuss aus rohen Backsteinen ruht eine schwarze Marmorplatte. Darauf werden Mahlzeiten serviert, wenn man nicht Lust hat, den Spaziergang bis zum Restaurant zu unternehmen, oder gelegentlich durch Massagen zeitlich eingeschränkt ist.
In jedem Bungalow können zwei Personen beherbergt werden. Bei den meisten stehen die zwei Betten im gleichen Raum nebeneinander. Einige Bungalows sind durch eine Wand in der Mitte geteilt. So entstehen zwei Einzelzimmer. Ein Betthimmel aus Bambus überragt die auf Brettern aufgelegten Matratzen und ist mit einem durchsichtigen Moskitonetz bespannt. Insgesamt hat es Platz für maximal 40 Gäste. Die ganze Anlage entspricht also einem kleinen Hotel.
Die Anzahl des gesamten Personals beträgt etwas mehr als das Maximum der Gäste. In einem *****Stern-Luxushotel hat es vielleicht 200 Zimmer von je 30 Quadratmeter. In der Agastya-Anlage verfügt jeder Gast umgerechnet über mehr als 1000 Quadratmeter Garten und dies ist hier der wahre Luxus. Man wird umsorgt von einer Ärztin und einem Arzt, von Masseuren, und von einem Stab dienstbarer Geister.
Ich war in diesem Garten ganz besonders glücklich. Ich fühlte mich immer besser, fast als wäre ich alter Mann täglich in einen Jungbrunnen eingetaucht. Die für mich so erfreuliche Wirkung der ayurvedischen Ernährung und Massagen verbunden mit der paradiesischen Umgebung hat aber wohl nicht allgemeine Gültigkeit.
Nicht für Alle empfehlenswert
Leider hat sich meine Schwester Marischa hier nur teilweise wohl fühlen können. Es gelang ihr nur wenig und manche Nächte lang überhaut gar nicht zu schlafen. Vielleicht störte sie bloss das stetige Rauschen der Meereswellen. Vielleicht war es jedoch generell die so vollständige Umstellung aller Lebensgewohnheiten. Am Schluss erkrankte sie ernstlich und hatte Fieber.
Auch Pia hat sich offensichtlich in diesem stillen Garten nur teilweise wohl gefühlt. Immer wieder bestellte sie ein Taxi und entfloh in die lebhafte Stadt. Dort beglückte sie das unübersehbare Angebot von Schmuck, prachtvollen Seidenstoffen und oft wirklich schönen handwerklich gefertigten Souvenirs. Vorsichtigerweise hatte sie einen zweiten leeren Koffer mitgenommen. So konnte Pia sich selber und viele ihrer Bekannten mit indischen Geschenken erfreuen.
Adalberto hat diesen Aufenthalt ebenso genossen wie ich selber. Deshalb sind wir in den folgenden Jahren noch zwei Mal zu einer jeweils drei Wochen dauernden Ayurveda Kur in dieses indische Paradies nach Süd-Indien zurückgekehrt.
Es ist interessant, wie dieses Paradies zustande kam: Martin Hug ist Veranstalter der „Intertreck“Reisen“. Auf einer Wanderung entlang der Küste von Südindien entdeckte er diesen landschaftlich vielgestaltigen, reizvollen Abschnitt. Von verschiedenen Besitzern erwarb er kleine, nebeneinander liegende Grundstücke. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Andrea Fuchs, schuf Martin Hug hier in Verbindung mit Ayurveda ein Erholungszentrum. Schon bald konnten die ersten Gäste davon profitieren.
Wer Lust hat, besondere Ferien zu geniessen und nebenbei erst noch etwas für die Gesundheit zu tun, dem rate ich, den Prospekt „Agastya Ayurveda Garten“ zu bestellen bei: Frau Andrea Fuchs, Intertreck AG, Haselstrasse 15/3, CH- 9014 St. Gallen. Tel. 071 27 86 464.