Dies ist einer meiner Beiträge über Gärten, publiziert 2001 im „Ulmer Ratgeber“
Ganz anders als die adelige, französische Oberschicht sind die im Laufe der industriellen Revolution in England reich gewordenen Fabrikbesitzer und Händler aufgetreten. Sie fühlten sich nicht als Beherrscher, sondern als Teil der sie umgebenden Natur.
Dies wird deutlich ab Mitte des 18. Jahrhunderts, im so genannten „englischen romantischen Gartenstil“. Die neu aufkommend Mode ist vor allem auf das Werk von Lancelot „Capability“ Brown (1716 – 1783) zurückzuführen. Allerdings geht es auch hier um von Menschenhand geschaffene „Kunstwerke“. Die ursprüngliche Natur wird dabei gärtnerisch „verbessert“. Doch anders als bisher in Frankreich verlaufen Wege in den Gärten nicht mehr schnurgerade, sondern in Bogen-formen. Bäume werden nicht mehr reihenweise als Allee gepflanzt, sondern vorzugsweise in Gruppen – „clumps“ – unregelmäßig auf Grasflächen verteilt .
Dazwischen öffnen sich oft Ausblicke auf fantastische, als reine Garten-Dekoration geschaffene Bauten, die so genannten „Follies“. Zu diesen gärtnerischen „Verrücktheiten“ gehören verkleinert nachgeahmte, antike Tempel oder künstliche Ruinen, chinesische Pagoden und nicht funktionierende, aber romantisch aussehende Mühlen.
Falls Bäche vorhanden sind, werden sie mit verspielten Brücken verziert. Oft staut man Flussläufe zu künstlichen Teichen von teilweise großer Ausdehnung. Die ruhige Oberfläche spiegelt stimmungsvoll den Himmel und dem Gartenbesucher wird eine paradiesische Landschaft vorgegaukelt. Wasser wird also völlig anders eingesetzt als in den früher geschaffenen italienischen und französischen Gärten. Dort zwang man das Wasser, zwar eindrucksvoll aber völlig unnatürlich als Fontäne aufwärts zu schießen.
Im Laufe der Zeit werden die englischen, zunächst fast nur grünen Anlagen immer häufiger durch die Farben blühender Pflanzen bereichert. Diese sind hauptsächlich von englischen Botanikern auf Reisen entdeckt und danach in deren Heimat akklimatisiert worden.
Interessant: Den Gartengestaltern, André Le Nôtre in Frankreich, und später Capability Brown in England, standen weniger als ein Zehntel der heute verfügbaren Auswahl von Gartenpflanzen zur Verfügung. Diese Tatsache muss man sich beim Besuch historischer Gärten immer vor Augen halten.