Tagebuch der Azoren-Reise 2012

Dienstag, 12. Juni

Flug ab Malpensa nach Lissabon. Dort Aufenthalt während 5 Stunden, den wir aber nicht wie geplant nutzen konnten. Der Bus, den wir vom Flughafen nehmen, kann zuletzt nicht weiterfahren, da das Zentrum verstopft ist wegen der morgigen Prozession. Wir nehmen also einen Bus, der uns zum Flughafen zurückbringt.

Ankunft in Ponta Delgada um 20.00 Ortszeit. (Bei uns wären es schon 22.00). In dem vorbestellten und für uns reservierten Leihwagen lassen sich aber unsere beiden Koffer nicht im dafür zu kleinen Gepäckraum verstauen. Wir erhalten problemlos ein anderes Auto. Adalberto chauffiert mit rasch zunehmender Sicherheit. Wir finden die richtige Route gemäss den per mail übermittelten Angaben von „Nane“ (Christiane, Baronin von Schnurbein) nach Sao Vicente Ferreira.

Herzliche, ziemlich schwatzhafte Begrüssung durch Nane. Einquartierung im „Blauen Haus“, das uns sehr gut gefällt.

Mittwoch, 13. Juni

Besprechung mit Nane. Spazierweg mit versehentlich grossem Umweg zum Einkaufen im lokalen Laden. Nachmittags Besuch im „Centro Atlantico“ von Ponta Delgada.

Donnerstag, 14. Juni

Wir fahren ein kurzes Stück zur Nordküste nach „Fernais da Luz“. Dort parkieren wir bei der Kirche und machen einen sehr schönen Spaziergang entlang der Küste zu einer einsam gelegenen Kapelle. Wie wir weiterfahren wollen, springt die Zündung nicht mehr an.

Vergeblich versuchen zwei Burschen zu helfen, die ich im Dorfladen darum gebeten hatte. Doch mit ihrer Hilfe kann das Auto wenigstens von der Strasse weggeschoben werden auf einen Platz wo es weniger stört, auch wenn hier praktisch kein Fahrverkehr herrscht. Dann kann mit ihrem Handy die Leihwagen-Firma erreicht werden. In überraschend kurzer Zeit trifft ein Ersatz-Auto ein, wonach das bisherige abgeschleppt wird. Die beiden Burschen scheinen über das Trinkgeld von 10 € sehr zufrieden zu sein.

Wir fahren weiter der Nordküste engtlang in östlicher Richtung zu dem von Nane empfohlenen und von ihr für uns reservierten Mittagessen im  Restaurant „O Gato Mia“. Es erweist sich als wirklich köstlich. Ich lasse mir eine Offerte für die nächstjährige Reisegruppe machen. Unglaublich was man mir an Speisen mitsamt Getränken für nur 15 € pro Person offeriert.

Besichtigung von „Ribeira Grande“, dem grössten Städtchen an der Nordküste.
Zwei sehr imposante Kirchen.

Freitag. 15. Juni

Fahrt via Ponta Delgada nach „Furnas“. Kleiner Spaziergang am Seeufer, wo es eine Fumarole hat. Dann Herumfahrerei in der Ortschaft. Hamburger-Essen. Heftiger Regen bewirkt Heimkehr via Maia. Teeplantagen- Besuch. Dann wieder Einkauf im riesigen Lebensmittel-Geschäft von Parque Atlantico. Es hat dort 15 Kassen nebeneinander; alle werden bedient und dennoch warten an jeder einige Personen. Die Kassiererinnen packen für die Kunden fast jedes einzelne Ding in Plastik-Säckchen, eine Verschwendung, die Nane (mit Recht) ganz besonders zu irritieren scheint. Um 17 Uhr sind wir bereits wieder zuhause.

Samstag, 16. Juni

Den Vormittag bleiben wir im „Blauen Haus“. Um 14.00 holt uns Ana Maria de Paria e Maia mit ihrem Auto ab. Jan Weiz hate mich mit ihr in Kontakt gebracht. Seine Tante Hilde war deutsche Erzieherin auf der Insel und auch er ist irgendwie verwandt über eingeheirate Cousinen und Cousins sowohl mit den de Paria e Maia als auch mit den von Schnurbeins und auch diese irgendwie miteinander. Vergeblich bemühe ich mich das genauer zu verstehen mit Hilfe der Lektüre von „Die vergessenen Fräulein“, worin Nane das in extrem komplizierter Weise nachzuzeichnen versucht.

Ana Maria ist klein gewachsen, äusserst liebenswürdig und spricht fast perfektes Englisch. Wir sind gleich per Vornamen. Ana Maria bringt uns zu ihrer Sommerresidenz in „Cabuco“, etwas über „Lago“ gelegen. Normalerweise wohnt sie aber in der Hauptstadt.

Wenn ich richtig verstanden habe ist de Paria e Maia die älteste Adelsfamilie der Insel, oder mindestens eine der ältesten und vornehmsten. Offenbar wurde eine Parzelle nach der anderen der vielen, verstreut liegenden Grundstücken verkauft. Auch eine Insel im Meer, die wir sahen, gehörte einst dieser Familie, wurde aber von der Grossmutter verkauft, wie Ana Maria uns erzählt. Ihr Mann ist abwesend, da Diebe die Kupferdraht-Umzäunung von einer ihnen noch gehörenden, grossflächigen Weide gestohlen haben und er dort nun mit der Polizei verhandeln muss.

Das Haus ist nicht so alt, wie der Herrschafts-Sitz an sich, sondern aus dem Ende des 19. Jh.. Die Küche ist ein dreistöckiges, riesiges Kamin mit einer einst offenen Feuerstelle. Der Raum wird heute noch als Küche gebraucht, aber mit „modernen“ Apparaten versehen. Grosser Garten doch zu wenig gepflegt, da nur noch ein einziger Gärtner hier tätig sei. Entlang der ganze Rückseite des Hauses – gegen den Ozean gewendet – erstreckt sich eine Terrasse und hat davor eine mit Azulejos belegte Sitzmauer. Von dort habe man einen herrlichen Blick aufs Meer hinunter. Dieser war aber leider bei unserem Besuch durch Nebelschwaden verhängt.

Nun chauffiert uns die sympathische Ana Maria hinauf nach „Furnas“, wo sie sich die Schlüssel zu drei dortigen, Privatgärten beschafft hat, um uns hineinzulassen. Zwei sehr grosse Gärten sind von Mitgliedern der gleichen Adelsfamilie in der zweiten Hälfte des 19. Jh. im romantischen Stil angelegt worden („Jardim Beatrice do Canto“ und „Jardim Jose do Canto“).

Wir trinken Tee im „anni trenta“ Hotel „Terra Nostra“, zu dem auch der riesige „Terra Nostra Park“ gehört, den wir aber nicht sehen, da es regnet und Ana Maria uns nach Hause zurück bringt. Adalberto ist begeistert über den eleganten Baustil des Hotels.

Sonntag, 17. Juni

Wir fahren nach „Vila Franca“. Nane hat uns dort telefonisch bei „Terra Azul“ zum „Whale Whatching“ angemeldet. Fahrt im modern ausgerüsteten Boot von 0900 – 11.30. Wir sehen eine Pottwal-Mutter mit dem dicht neben ihr schwimmenden Kalb. Die uns begleitende Meeresbiologin (spricht perfekt englisch, ist aber eine Italienerin, wie Adalberto bald herausfindet) erklärt, dass die Kälber ganze drei Jahre Muttermilch trinken. (Wenn man sich vorstellt: unter Wasser!)

Pottwale sind eine recht grosse und die hier am häufigsten beobachtete Wal-Art. Insgesamt kònnen hier bis zu 23 verschiedene Wal-Sorten gesichtet werden. Aber dass man auch nur eine sieht ist nicht immer sicher. Von einer hoch über der Steilküste gelegenen Beobachtungs-Station wird das Meer ständig abgesucht und den „Whale Watching“- Unternehmen telefonisch gemeldet, wo sie sich Wale aufhalten. So können die Boote an den richtigen Ort gesteuert werden.

Eindrückliches Fotomotiv für Berto ist der aufragende Schwanz beim Eintauchen – nach dem minutenlangen Atemholen an der Oberfläche. Wir sehen auch einige Delphine, die aus dem Wasser springen.

Es schaukelt zuletzt stark, ein heftiger Wind bläst und Regen peitscht. Wir fahren noch an einer vor „Vila Franca“ liegenden Insel vorbei, ein zusammengefallener Vulkan. Sehr malerische Gesteins-Formationen erzeugt durch Verwitterung. Endlich sind wir wieder an Land .

Mittagessen im Hafen-Restaurant „Atlantico“. Auch hier fragen ich, was ein Gruppen-Mittagessen kosten würde: 17 € p. P.  Ich habe das aber nicht schriftlich.

Wir fahren hinauf zum „Lagoa do Fogo“, Viel Nebel. Weiterfahrt zu „Caldeira Velha“, Kleiner Spaziergang durch enges Tälchen. An einer Stelle blubbern heisse Quellen empor und verbreiten Dampf. Am Ende des Tälchens Wasserfall mit eisenhaltigem warmem Wasser über rostrot gefärbten Felsen.

Abendessen bei Nane

Montag, 18. Juni

„Ponta Delgada“: Kirchen. “Jardim Borges“, Gummibaum mit beeindruckendem Stamm. Vor Vergnügen schreiende Schar Kinder an Spielapparaten, bewacht von Lehrerinnen. Erneut Einkaufen im Parque Atlantico.

Dienstag. 19. Juni

Ganze Nacht und heutiger Vormittag Dauerregen. Nane übergibt mir ihren sehr rudimentären Vorschlag für die drei in meinem bisher aufgezeichneten Programm für die Gruppenreise noch fehlende Tage.

Am Nachmittag plötzlich Aufhellung und wir fahren über Ponta Delgada Auf den Rand des riesigen Kraters von „Sete Cidades“ mit dem blauen und dem etwas kleineren, durch Brücke getrennten grünen See. Enge Strasse entlang dem Kraterrand. Bravo Adalberto. Mir wird fast schwindlig. Atemberaubende Aussicht von „Vista do Rei“, Dort wurde von (völlig verrückten) französischen Investoren im Jahr 1984 ein 5-Stern Luxushotel in völliger Abgeschiedenheit erbaut. Es machte nach einem Jahr Konkurs – wer kommt schon da hinauf – und vergammelt seither.

Mittwoch, 20. Juni

Vormittags regnerisch. Das deutsche Hochzeitspaar trifft ein, dem Nane das Haupthaus zum gleiche Preis vermietet hat wie das Blaue Haus. So können wir trotz dem Datum-Irrtum von Nane, zwei Wochen im Blauen Haus bleiben, wie anfänglich vereinbart.

Nane kommt, um sich zu verabschieden, da sie bei einer Freundin wohnen wird um dem Hochzeitspaar das Haus alleine überlassen zu können. (Später beklagt sie sich, dass deren Gatte, kaum sei die Freundin abwesend, „ihr an die Wäsche greift“ und sie könne das einfach nicht mehr aushalten. Einmal habe er sie im Auto verfolgt, sei direkt nach ihr ins Tor eingefahren und sie hätte grösste Mühe gehabt, ihn zu vertreiben.

Immer wieder klopft sie erneut an die Türe: „Entschuldigt bitte, da ist noch etwas“. Ich unterhalte mich erneut mit Berto, ob ich mich darauf verlassen kann, dass Nane, wie sie selber vorgeschlagen hatte, die Gruppen-Reise im Juni 2013 tatsächlich führen kann. Sie ist manchmal wirklich etwas seltsam. Berto beruhigt mich aber, sie sei einfach äusserst lebhaft – ich finde eher, sie sei zwar nett, aber ein bisschen hysterisch.

Wieder hellt es auf am Nachmittag. Wir fahren zum zweiten Mal zum „Lago do Fogo“ hinauf. Diesmal geniessen wir eine viel bessere Aussicht. Bei der Rückfahrt machen wir einen Halt bei „Caldeira Velha“, wo wir beide ein Thermalbad mit Wasserfall-Dusche sehr geniessen, erst ich, dann zögern aber zuletzt begeistert auch Berto.

Wieder Einkäufe. Wie gewohnt wohlschmeckendes Essen von Berto im „Blauen Haus“ zubereitet. Ich schreibe eifrig Tagebuch, leider von Hand und somit wohl schwer leserlich. Berto verbringt die meiste Zeit – wie gewohnt auch hier – auf dem mitgebrachten Computer zum Kontakt-Austausch. Gut, so ist er beschäftigt und langweilt sich nicht – im Gegenteil, es amüsiert ihn und er bricht oft in lautes Lachen aus. Wer weiss, was da gezeigt wird auf dem Bildschirm ? Wir haben es sehr schön zusammen.

Donnerstag, 21. Juni

Heute endlich strahlende Sonne. Fahrt nach „Nordeste“, am Ende der erst zu Beginn dieses Jahres erbauten Schnellstrasse entlang der Nordseite der Insel. Mittagessen in grossem Restaurant. Dann Umrundung der Ostspitze der Insel. Wilde Gegend. Hohe Felsen, fast senkrecht zum Meer abfallend. Zwei sich gegenüber liegende, als „Miradoures“ beschilderte Aussichtspunkte mit atemberaubendem Blick in verschiedener Richtung. Bei beiden WC und Grillmöglichkeit, schöne Anpflanzung mit vielen Blumen.

Berto ist wirklich perfekter Chauffeur auf den kurvenreichen und sehr engen Strassen. Glücklicherweise fast kein Verkehr. Wenn aber ein seltenes Auto in Gegenrichtung kommt, dann sind schwierige Manöver nötig, um aneinander vorbeizukommen. Heimfahrt über Furnas, das wir schon kennen und nicht anhalten und Ribeira Grande. Zuletzt beide etwas müde von der langen Fahrerei.

Freitag. 22. Juni

Nebel fast den ganzen Tag, wobei wir trotzdem die Westseite der Insel umfahren. (In Gegenrichtung zum Uhrzeiger). Nane hatte uns „das beste Pizza-Restaurant der Insel, geführt von Italienern“, empfohlen, in Mosteiros an der Inselspitze. Es erweist sich jedoch am Freitag mittags als geschlossen. Wir fahren deshalb zu der von Nebel umhüllten Ortschaft im Innern des weiten Kraters „Sete Citades“. Überraschend reiches, gut schmeckendes Buffet-Mittagessen in kleinem Restaurant.

Besichtigung der Ananans-Plantage in „Faja de Baixo“ bei Punta Delgada. Lebensmittel-Einkäufe wieder in „Parque Atläntico“

Samstag, 23. Juni

Handschriftliche Notizen für den heutigen Tag sind nicht mehr auffindbar, oder habe ich keine gemacht. Es gab offenbar nichts besonders Interessantes festzuhalten. Jedenfalls kann ich mich jetzt beim Rein-Schreiben mit dem Computer nicht mehr detailliert erinnern, was wir vor rund einem Monat auf der Insel Sao Miguel unternommen hatten, sofern ich es nicht jeweils schon gleich handschriftlich festgehalten habe.

Sonntag 24. Juni

Sehr windig. Für Berto deshalb – wie bereits gestern – „giorno no“. Wir verzichten aufs Autofahren und bleiben den ganzen Tag im „Blauen Haus“. Ich entwerfe weitere Programm-Brocken, lese Nanes Buch fertig: „Alles von Frische, Flüchtlingsschicksale aus dem Kreis Augsburg“, erschienen 2005, also nach „Die vergessenen Fräulein“. Auch dies ein Buch von ihr mit lauter Interviews.

Ich lese auch Nanes grossartig abgefasstes, mit Schreibmaschine geschriebenes Manuskript „Tante Esther 1922-2003“. Dies lag offen im Büchergestell. Es ist ein psychogisch einfühlsam, dennoch humorvoll und stilistisch perfekt geschriebener Text.

Nane hat auch 2007 eine Jubiläumsschrift zum 250-jährigen Bestehen der als „Schloss“ bezeichnete Erbfolge ihres Mannes verfasst. Sie hat selber das im bayrischen Ettgelried liegende Schloss eingerichtet, das vorher als Haus des Försters gedient hatte. Sie hat auch den dortigen Garten angelegt. Die Schrift besteht hauptsächlich aus „vor und nachher“- Abbildungen.

Nana kommt mit der Abrechnung für unsere Miete. Nane erzählt auch ausfühlich, wieso sie so ungern bei ihrer Freundin wohne, wenn sie das Haus vermietet. Deren Gatte, kaum ist seine Frau aus dem Haus, dann „greift er mir an die Wäsche“. Als Portugiese betrachte er jede alleinstehende Frau als Freiwild. Dieser Man sei ihr auch einmal nachts im Auto nachgefahren und sei hinter ihr in das geöffnete Tor eingedrungen. Sie hätte die grösste Mühe gehabt, ihn „unverrichteter Dinge“ zu verjagen.

Ausserdem will ich hier auch noch festhalten, was mir Nane irgendwann vorher erzählt hatte: Sie hätte die Hausdame entlassen müssen. Diese hatte ein Verhältnis mit Nanes Mann und sich allmählich als Herrin aufgeführt, fast als wolle sie Nane verdrängen. Nanes Gatte habe sie anschliessend vor etwa anderhalb Jahren verlassen, und dabei vor dem Zuknallen der Haustüre geschrieen:“ Schon seit zehn Jahren bist du für mich unerträglich geworden“. Wirklich dramatisch. Besonders dass sie mir erklärt, sie liebe diesen Mann immer noch. Er würde nie mehr zu ihr zurückkehren, aber sie würde ihn jederzeit wieder mit offenen Armen empfangen.

Montag, 25. Juni

Es ist immer noch windig, aber Berto sagt, er fühle sich wieder OK. Er hat die Koffer weitgehen schon gestern ab end gepackt. Wir räumen auf und sitzen ein wenig bis wir 11.30 abfahren und am Flughafen das Auto abgeben. Abflug 14.40. Ankunft in Mailand, Linate, um Mitternacht.